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Zentralregulierung aus Sicht eines Aufsichtsrates einer Verbundgruppe

Eine der Haupteinnahmequellen vieler Einkaufsverbände in Deutschland ist die Zentralregulierung (ZR) oder Zentralfakturierung (ZF). Hier werden zum Teil Überschüsse für die Anschlusshäuser der Verbundgruppe erwirtschaftet und/oder aus den Überschüssen werden die Kosten der Verbandszentrale gedeckt.

Als Aufsichtsrat einer Verbundgruppe, egal in welcher Rechtsform, sollte ich mich mit dem Thema ZR/ZF, auch aus Haftungsgründen, auseinandersetzen.

Die betriebswirtschaftliche Sichtweise der ZR

Bei der ZR erhält der Lieferant eine (zusätzliche) Zahlungsgarantie eines Dritten der nicht der Besteller (Anschlusshaus) ist. Für den Lieferanten sollte dies eine Verringerung des Ausfallrisikos darstellen. Ferner werden alle Forderungen gegen verschiedene Besteller (Anschlusshäuser) eines Verbandes in gewissen Rhythmen zusammengefasst (Clearing) und dem Lieferanten in einem Avis zu abgestimmten Regulierungsterminen zur Verfügung gestellt und gesammelt gezahlt. Nur die Bestellung und Lieferung findet direkt zwischen Besteller und Lieferant statt.

Die ZR beinhaltet somit drei Dienstleistungen
– Ausfallhaftung (Delkredere)
– Clearing
– Zahlungsverkehr

Für diese Dienstleistung zahlt der Lieferant eine Delkredere-/ZR-Gebühr.

Diese eingenommene ZR-Gebühr sollte für den Verband höher sein als die Kosten für Betrieb und Risiken aus der ZR. Dies sollte einem regelmäßigen Controlling unterliegen und diese ZR-Kontrollrechnung sollte sich der Aufsichtsrat regelmäßig (z.B. jährlich) zeigen lassen.

Risiken der Zentralregulierung

Es gibt verschiedene Risiken in der ZR:
– Zahlungsunfähigkeit eines Bestellers/Anschlusshauses
– Insolvenz eines Lieferanten
– Zahlungsunfähigkeit des Zentralregulierers selbst

Zahlungsunfähigkeit eines Bestellers/Anschlusshauses

Um Zahlungsausfälle von Anschlusshäusern zu vermeiden oder zumindest gering zu halten, bedarf es eines strukturierten Monitorings der Bonitäten. Hierzu sollten Jahresabschlüsse, BWAs und Wirtschaftsauskünfte regelmäßig ausgewertet und idealerweise in ein Rating überführt werden. Ferner sollten die regelmäßigen Zahlungen aller Anschlusshäuser im Rahmen der ZR überwacht werden und Zahlungsverzüge auch mit in die Bonitätsbetrachtung einbezogen werden. Als Aufsichtsrat sollte man sich jährlich auch dieses Bonitäts-Überwachungssystem vorstellen und idealerweise auch Veränderungen der Bonitäten aller Anschlusshäuser einmal jährlich aufzeigen lassen (Portfolio-Überwachung). Dieses Risiko kann man mit der Unterlegung aller oder größerer Anschlusshäuser durch eine Kreditversicherung zumindest glätten oder reduzieren, es entbindet den Verband aber nicht von der professionellen Bonitätsüberwachung, da den Kreditversicherungen oftmals nur Negativmeldungen vorliegen und dies dann oft zu spät ist.

Insolvenz eines Lieferanten

Bei der Insolvenz eines Lieferanten gibt es neben der Problematik der ausbleibenden Lieferfähigkeit – idealerweise hat man immer einen Zweitlieferanten – wirtschaftlich noch das Risiko der offenen Gegenforderungen, meist Gutschriften, die ein Verband oder Anschlusshäuser gegen den Lieferanten haben. Diese Gutschriften können aus fehlenden oder fehlerhaften Lieferungen oder auch aus Boni-Ansprüchen o.ä. resultieren. Hier gilt es im Einkaufsverband eine Organisation und eine Regulierungssoftware zu betreiben, die dafür Sorge trägt, dass solche Verrechnungen möglichst zeitnah vorgenommen werden. Entweder lässt sich der Aufsichtsrat dies aufzeigen oder er beauftragt den Wirtschaftsprüfer dies zu prüfen.

Zahlungsunfähigkeit des Zentralregulierers selbst

In der Gesamtbetrachtung ist dies das größte Risiko, da in diesem Fall ein kumuliertes Risiko vorliegt.

Es kann dazu kommen, wenn entweder über einen längeren Zeitraum die ZR-Kalkulation negativ ist, dies nicht erkannt wurde oder nichts dagegen unternommen wurde. In diesem Fall muss sich der Aufsichtsrat mangelnde Aufsicht und vermutlich mangelnde Transparenz vorwerfen lassen. Dies kann zu einer Haftung als Organ führen.

Eine weitere Möglichkeit ist, wenn Gelder für die ZR nicht strikt von den Geldern des Eigenbetriebes des Verbandes (Verwaltung, Zentrallager, Messen) getrennt werden und Verluste aus dem Eigenbetrieb durch die ZR-Liquidität gedeckt werden. Eine ZR sollte immer zwingend eine vom Eigenbetrieb getrennte Buchhaltung und Zahlungskonten haben. Nur realisierte ZR-Überschüsse sollten dann in den Eigenbetrieb überführt werden. Diesen Aufbau sollte sich der Aufsichtsrat klar erläutern und regelmäßig (jährlich) vom Vorstand bzw. der Geschäftsführung des Verbandes und dem Wirtschaftsprüfer bestätigen lassen. Diese Situation war in den letzten 30 Jahren der häufigste Grund für die Zahlungsunfähigkeit eines Zentralregulierers und hat hohes Potential für Haftungsfälle des Aufsichtsorgans.

In dem Fall, dass der Zentralregulierer die Lieferanten nicht oder nicht mehr pünktlich bezahlen kann, droht den Anschlusshäusern unter Umständen ein Doppelzahlungsrisiko, da die Lieferanten dann bzgl. der offenen Forderung direkt auf den Besteller zukommen, obwohl dieser vielleicht seine Zahlung an den Zentralregulierer bereits geleistet hat.

Regulatorische Anforderung

Da das ZR-Geschäft grundsätzlich ein zulassungspflichtiges Geschäft ist, muss der Aufsichtsrat darauf achten, dass dem Einkaufverband entweder eine Freistellung für das Betreiben der ZR von der Bundesanstalt für Finanzen (BaFin oder Vorgänger BAKred) vorliegt und man sich im Rahmen dieser Freistellung bewegt, der Einkaufsverband eine Zulassung von der BaFin besitzt (Bank oder ZAG) oder der Einkaufsverband das Geschäft an einen zugelassenen Dienstleister outsourct.

Alle diese Risiken müssen gemanagt werden, es bedarf dazu eines professionellen, strukturierten Vorgehens, vertrauensvoll handelnden Personen, moderner und leistungsfähiger Software, regelmäßigen und transparenten Kontrollen sowie einer sauberen juristischen Grundlage. Alternativ kann man einen professionellen Dienstleister mit der ZR beauftragen. Als Aufsichtsrat eines Verbandes hat man die Aufsicht über diesen wichtigen Geschäftsbereich und sollte diese Themen gewissenhaft und regelmäßig prüfen.

Autor: Franz Herrlein, Mitglied des Aufsichtsrats der ANWR GROUP eG

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