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Zentrallager bei einer Einkaufsgemeinschaft

1. Ausgangslage

Viele Einkaufsgemeinschaften unterhalten ein Zentrallager, um die Warenverfügbarkeit für die Mitglieder mengenmäßig und/oder zeitlich sicherzustellen.

Das Zentrallager beschafft Waren von Lieferanten und lagert diese typischerweise ein. Die Mitglieder bestellen bei dem Zentrallager, die Auslieferungen erfolgen i. d. R. direkt vom Zentrallager an die Mitglieder, entweder über einen eigenen Fuhrpark, Logistikdienstleister bzw. eine Spedition. Insofern gibt es viele Gemeinsamkeiten zu einem Händler mit Lagerhaltung.

Es gibt eine weitere Variante der Geschäftsabwicklung, insbesondere wenn Waren kurzfristig beim Mitglied verfügbar sein müssen. In diesen Fällen bestellt das Zentrallager bei den Lieferanten mit einem abweichenden Lieferort. Dieser ist in der Regel die Adresse des Mitgliedes, welches die Waren benötigt. Hier gibt es Parallelen zum klassischen Streckengeschäft.

Das Streckengeschäft kommt z. B. häufiger im Baustoffgroßhandel vor. Hier liefert der Baustofflieferant aufgrund einer Bestellung des Großhändlers direkt an eine Baustelle.

Das Streckengeschäft weist zudem Gemeinsamkeiten zur Zentralfakturierung auf.

Eine Variante eines Zentrallagers stellt ein „virtuelles Zentrallager“ dar. Hier erfolgt i. d. R. eine Mengenbündelung bei den Bestellungen durch das virtuelle Zentrallager mit Auslieferungen an verschiedene Stellen durch den Lieferanten. Eine physische Lagerhaltung findet nicht statt, jedoch eine Zentralisierung der Rechnungsstellungen bei den Lieferanten, die ihre Rechnungen auf das virtuelle Zentrallager ausstellen. Dieses Geschäftsmodell weist ebenfalls Gemeinsamkeiten zur Zentralfakturierung auf.

Immer häufiger versuchen Einkaufsgemeinschaften, ihre Mitglieder mit der Generierung von Eigenmarken zu unterstützen. Ziele sind dabei z. B., die Margen der Mitglieder zu stärken oder Alleinstellungsmerkmale für die Mitglieder zu generieren. Ein Zentrallager ist für das Handling von Eigenmarken keine zwingende Voraussetzung, wirkt aber i. d. R. unterstützend bei der Geschäftsabwicklung.

Sehr unterschiedlich ist bei den Einkaufsgemeinschaften geregelt, ob das Zentrallager nur den eigenen Mitgliedern oder zusätzlich auch anderen Kundenkreisen offensteht. Andere Kundenkreise können z. B. die Mitglieder einer anderen Einkaufsgemeinschaft im Rahmen einer Kooperation oder auch Dritte mit einem geringeren Bindungsbezug sein.

Ein Zentrallager kann von der Einkaufsgemeinschaft selbst oder aber im Rahmen einer eigenständigen Gesellschaft betrieben werden. Im letzteren Fall können sich dann die Gesellschafter der Einkaufsgemeinschaft von denen des Zentrallagers unterschieden.

Grundsätzlich gibt es bei einem Zentrallager eine Einkaufsseite und eine Verkaufsseite. Beide Seiten lassen sich in ein oder mehrere zentrale Abrechnungssysteme wie Zentralregulierung integrieren.

2. Motivation, Bedarfslagen

2.1 Zentrallager

2.1.1 Einkaufsseite des Zentrallagers

Auf der Einkaufsseite eines Zentrallagers gibt es nicht die gleichen, zumindest aber sehr ähnliche Bedürfnisse wie auf der Mitgliederseite einer Einkaufsgemeinschaft. Ein Zentrallager wünscht sich neben attraktiven Einkaufspreisen (z. B. wegen der Mengenbündelung) ebenso längere Zahlungsziele von den Lieferanten. Zum einen müssen gegenüber den Mitgliedern der Einkaufsgemeinschaft offene Zahlungsziele eingeräumt werden, zum anderen vergeht gegebenenfalls eine längere Zeit zwischen Beschaffung bei den Lieferanten inkl. deren Bezahlung und dem Liquiditätsrückfluss aus der Weiterveräußerung an die Mitglieder inkl. der Zahlung der Mitglieder an das Zentrallager.

Zentrallager auf der Einkaufsseite

Zentrallager auf der Einkaufsseite

2.1.2 Verkaufsseite des Zentrallagers

Auf der Verkaufsseite eines Zentrallagers ergeben sich ähnliche Bedürfnisse wie bei den Lieferanten einer Einkaufsgemeinschaft.
Grundsätzlich entstehen bei Lieferungen mit offenen Zahlungszielen Forderungen, die einem Ausfallrisiko unterliegen. Die Mitglieder als Kunden sind zwar bekannt und die Einholung von Informationen zur Bonitätsbeurteilung dürfte im Vergleich zu anderen Lieferanten einfacher sein, ein Delkredere-Risiko bleibt aber vorhanden und kann z.B. über eine Zentralregulierung mit Delkredere-Übernahme abgesichert werden.

Das Absicherungsbedürfnis steigt naturgemäß, je weiter die Kunden von dem Mitgliederkreis der Einkaufsgemeinschaft entfernt sind. Das ist wie am Anfang skizziert der Fall, wenn auch Mitglieder einer anderen Einkaufsgemeinschaft oder „Drittkunden“ beliefert werden.

Die Lagerhaltung bindet zum einen Kapital, zum anderen gibt es i. d. R. auch Bonusverpflichtungen gegenüber den Mitgliedern bzw. Kunden. Diese führen zu einem höheren Liquiditätsabfluss zu bestimmten Stichtagen, insbesondere wenn es sich Jahresbonus-Vereinbarungen handelt. In Verbindung mit den Erwartungshaltungen der „Kunden“ auf der Verkaufsseite hinsichtlich der Einräumung von Zahlungszielen kann dies dazu führen, dass es einen Bedarf an speziell auf das Zentrallager angepassten Finanzierungsprodukten gibt.

Zentrallager auf der Verkaufsseite

Zentrallager auf der Verkaufsseite

2.2 Mitglieder

Mitglieder wünschen sich von einem Zentrallager eine hohe und schnelle Warenverfügbarkeit bei attraktiven Einkaufspreisen, häufig in Verbindung mit dem Wunsch nach Einreichung längerer Zahlungsziele zur Optimierung der eigenen Liquiditätssituation, da die Mitglieder ihren Kunden im B2B-Geschäft ebenfalls Zahlungsziele einräumen müssen. Ggf. wird dieser Wunsch auch durch saisonale Schwankungen und /oder einen längeren Timelag zwischen dem Einkauf und dem Verkauf verstärkt.

2.3 Lieferanten

Ein Zentrallager bündelt zumindest einen Teil der Warenbeschaffung der Mitglieder einer Einkaufsgemeinschaft. Dies bedeutet, dass bei einem Lieferanten ein höherer Forderungsbestand gegenüber einem Unternehmen (dem Zentrallager) entsteht. Insofern gibt es i. d. R. auch einen höheren Absicherungsbedarf, der z. B. über eine Zentralregulierung mit der Delkredere-Übernahme auf der Einkaufsseite des Zentrallagers abgedeckt werden kann.

2.4 Einkaufsgemeinschaft

Ein Zentrallager kann eine Bindungswirkung auf die Mitglieder einer Einkaufsgemeinschaft entfalten. Ebenso kann die Einkaufsgemeinschaft über dieses Leistungsangebot versuchen, neue Mitglieder zu gewinnen.

Die Einrichtung eines Zentrallagers durch eine Einkaufsgemeinschaft kann auch eine „Notwendigkeit“ sein, wenn z. B. Lieferanten nur noch an eine Stelle liefern und gegenüber einer Stelle abrechnen wollen.

3. Zusammenfassung

Ein Zentrallager einer Einkaufsgemeinschaft kann eine wesentliche Unterstützung der Mitglieder bieten und somit eine entsprechende Bindungswirkung entfalten.

Die Bedarfslagen der Beteiligten (Lieferanten, Zentrallager, Mitglieder) decken sich in vielen Teilen mit denen in einem klassischen Handelsgeschäft.

Absicherungs- und Finanzierungsbedürfnisse können über moderne Finanzierungsformen wie Factoring oder Finanzierungen im Rahmen eines Abrechnungssystems wie der Zentralregulierung mit Delkredere-Übernahme abgedeckt werden.

Hilfreich für die Identifikation der Bedarfslagen und Möglichkeiten der jeweiligen Beteiligten ist es, wenn man das Zentrallagergeschäft nicht nur in der Gesamtheit, sondern auch getrennt nach der Einkaufs- und der Verkaufsseite betrachtet.

Autor: Redaktion FINtatio

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