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Die verschiedenen Formen des Factorings

Es sei erwähnt, dass es keine offizielle Definition für die unterschiedlichen Formen des Factorings gibt und die Namen keine geschützten Begriffe darstellen. Es ist das Bestreben, die Themen zusammen zu fassen, die mehrheitlich im deutschen Finanzdienstleistungsmarkt unter diesen Bezeichnungen verstanden werden.

Unterscheidung nach Dienstleistungstiefe

Full Service Verfahren

In Deutschland wird unter Full Service Factoring die Factoring Variante verstanden, die alle drei klassischen Produkteigenschaften beinhaltet:

  • Finanzierungsfunktion
  • Absicherungsfunktion / Delkrederefunktion
  • Dienstleistungsfunktion

Zum Teil werden für das Full Service Factoring auch andere Begrifflichkeiten verwandt:
Z.B. Full Factoring oder Standardfactoring

Dieses Verfahren eignet sich für Unternehmen, die eine kleinere Debitorenbuchhaltung unterhalten oder die Debitorenbuchhaltung sowieso schon ausgegliedert haben.

Inhouse Verfahren / Bulk Factoring

In Deutschland wird mit Inhouse Factoring meist die Factoring Variante benannt, die nur die

  • Finanzierungsfunktion
  • und Absicherungsfunktion

beinhalten. Die Buchhaltung verbleibt bei diesem Verfahren beim Forderungsverkäufer (Factoring-Kunden). Da die Forderungen aber Eigentum des Factoringunternehmens geworden sind, führt der Forderungsverkäufer die Debitorenbuchhaltung treuhändisch für den Forderungskäufer durch.

Zum Teil werden für das Inhouse Factoring auch andere Begrifflichkeiten verwandt:
Z.B. Bulk Factoring, List Factoring

Dieses Verfahren eignet sich für Unternehmen, die bereits eine größere qualitativ gut arbeitende Debitorenbuchhaltung unterhalten und z.B. Spezialwissen im Handling mit den Debitoren von Nöten ist

Unterscheidung nach Publizität

offenes Verfahren

Vom offenen Factoringverfahren wird gesprochen, wenn die Debitoren des Factoring-Kunden über die Factoringzusammenarbeit informiert werden. Dies geschieht in der Regel über den Abtretungsvermerk auf den Rechnungen des Forderungsverkäufers. Ferner werden die Debitoren vor der Factoringzusammenarbeit durch ein Informationsanschreiben (Notifikationsschreiben) auf den Verkauf der Forderungen hingewiesen. 

Der Abtretungsvermerk wird in der Regel anstatt der bisherigen Kontoverbindungen auf die Rechnung gedruckt.

Ein Abtretungsvermerk kann wie folgt lauten:
„Wir haben unsere sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen – auch die dieser Rechnung zugrunde liegenden Forderungen – an die XXXXX abgetreten. Auch unseren Eigentumsvorbehalt haben wir auf die XXXXX übertragen. Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung erbitten wir deshalb ausschließlich durch Überweisung an die XXXXX: Kontonummer:  MERGEFIELD M_74er_Kontonummer «123456789», Kreditinstitut: Musterbank, BLZ: XXX XXX XX, IBAN: XXXXX, SWIFT-Code: XXXXXXXX, unter Angabe des Verwendungszweckes: F-Kunde xyz , Deb-Nr. …………, Re.-Nr. …………, Re.-Datum“

Ziel des offenen Verfahrens ist, das der Debitor die Rechnung direkt an das Factoring-Unternehmen begleicht und damit möglichst alle Zahlungsströme direkt über die Konten des Factoring-Unternehmens fließen. Dadurch werden viele Risiken für das Factoring-Unternehmen deutlich reduziert (z.B. Zahlungsweiterleitungsrisiko, nicht bekannte Aufrechnungslagen, mangelnder Bestand der Forderung)

stilles Verfahren

Vom stillen Factoringverfahren wird gesprochen, wenn die Debitoren nicht über den Factoringvertrag informiert werden. Die Ausgangs-Rechnungen des Factoring-Kunden bleiben unverändert und enthalten keinen Abtretungsvermerk. Das „stille Verfahren“ ist in aller Regel eine Kombination mit dem „Inhouse-Verfahren“, da die Kommunikation (Telefon, Mahnungen) von der Debitorenbuchhaltung des Factoring-Kunden durchgeführt werden sollte. Dieses Verfahren ist mit höheren Risiken für das Factoring-Unternehmen verbunden, da dem Debitor der Forderungsverkauf nicht bekannt ist. Die Bezahlung der Rechnung wird weiter an den Factoring-Kunden erfolgen und das Factoring-Unternehmen muss auf die Weiterleitung der Gelder durch den Factoring-Kunden vertrauen (Zahlungsweiterleitungsrisiko). Oftmals wird versucht das Zahlungsweiterleitungsrisiko durch ein an das Factoring-Unternehmen verpfändetes Zahlungseingangskonto des Factoring-Kunden zu minimieren. Ferner kann das Factoring-Unternehmen bei fälligen Forderungen nicht direkt mit dem Debitoren in Kontakt treten und kann so erschwert Zahlungsstörungen oder mangelnde Verität der Forderung feststellen.

Der Grund für ein „stilles Verfahren“ liegt an der mangelnden Akzeptanz von Factoring bei einigen wenigen Groß-Debitoren. Diese befürchten zusätzlichen Arbeitsaufwand, z.B. durch Saldenabstimmungen, und vielleicht auch ein konsequenteres Auftreten des Faktors bei Zahlungsstörungen. In der Praxis liegt die Quote der Debitoren die Factoring nicht akzeptieren unter einem Prozent der Gesamtzahl der Debitoren. Andere Groß-Debitoren bewerten einen Factoringvertrag aufgrund der höheren finanziellen Stabilität Ihres Lieferanten beim Lieferanten-Rating sogar positiv.

Unterscheidung nach Sitz der Kunden bzw. Debitoren

Import Factoring

Das Factoring-Unternehmen kauft die Forderungen von einem ausländischen Lieferanten (Forderungsverkäufer) an, der an ein inländisches Unternehmen (Importeur) Waren oder Dienstleistungen verkauft. Das Modell kann über ein Factoring-Unternehmen oder auch im 2-Factor-Modell (wird im weiteren Verlauf erläutert) abgebildet werden. Anders als beim „klassischen“ Inlands- oder Export-Factoring geht hier oftmals die Motivation vom Debitoren (Importeur) aus, der durch die Einbindung eines Faktors vermeidet „teuere und umständliche“ Akkreditive verwenden zu müssen oder seine Zahlungsziele gegenüber seinem Lieferanten zu verlängern oder überhaupt welche zu erhalten.

Ein erhöhtes Risiko für die Factoring-Gesellschaft liegt in der Konzentration auf einen Debitoren (Importeur) (vergleiche auch Reverse-Factoring). Sollte hier ein Bonitätsrisiko auftreten, betrifft dies direkt den gesamten Forderungsbestand. Klassisch werden diese debitorischen Risiken über einen Kreditversicherer abgesichert, was aber aufgrund der Prämiengestaltung nur eine Risikoglättung für einzelne Geschäftsjahre darstellt.

Inlands Factoring

Beim Inlands Factoring haben alle Beteiligten (Factoring-Unternehmen, Factoring-Kunde und Debitor) ihren Sitz im Inland. Der größte Teil des Umsatzvolumens der Factoring-Unternehmen fällt unter diese Kategorie. In der Regel werden die Forderungen mit dazugehörigem Umsatzsteueranteil vorfinanziert.

Die Motivation des Factoring-Kunden kann auf allen drei Kernfunktionen (Finanzierung, Absicherung, Debitorenbuchhaltung) von Factoring beruhen.

Export Factoring

Das Factoring-Unternehmen kauft die Forderungen von einem inländischen Lieferanten (Exporteur und Forderungsverkäufer), der an ein ausländisches Unternehmen Waren oder Dienstleistungen verkauft. Das Modell kann über ein Factoring-Unternehmen oder auch im 2-Factor-Modell (wird im weiteren Verlauf erläutert) abgebildet werden. Die Motivation für dieses Verfahren beruht insbesondere auf der Tatsache, dass der Factoring-Kunde oftmals die Bonität eines ausländischen Debitors deutlich schlechter einschätzen kann als im Inland, die Zahlungsziele im Ausland oftmals deutlich länger sind und die Rechtsverfolgung sich deutlich aufwändiger gestaltet.

Unterscheidung nach der juristischen Einordnung

echtes Factoring

Beim echten Factoring nimmt der Factor seinem Kunden (Forderungsverkäufer) das bonitätsbedingte Forderungsausfallrisiko ab. Der Factoringkunde erhält (behält) also auch dann den gesamten Rechnungsbetrag, wenn der Drittschuldner aus Bonitätsgründen nicht zahlt und der Factor die ihm abgetretenen Forderungen nicht einziehen kann.

Die Verfahrensweise des „echten Factorings“ ist in Deutschland üblich, da es sich nur beim echten Factoring um ein Kaufgeschäft und nicht um ein Kreditgeschäft handelt und damit der Factor ein Aussonderungsrecht für die Forderungen im Falle der Insolvenz seines Factoringkunden erhält.

(Derjenige, der geltend machen kann, dass sich in der Insolvenzmasse Gegenstände befinden, die ihm selbst und nicht dem Schuldner gehören, kann deren Herausgabe (Aussonderung) verlangen gemäß §47 InsO)

Ferner handelt es sich nur beim „echten Factoring“ um einen sogenannten „true sale“ bei dem die Forderungen nicht mehr in der Bilanz des Forderungsverkäufers aktiviert werden.

Darüber hinaus ist auch der Vorrang der Zession aus dem Factoring-Vertrag gegenüber Vorlieferanten mit verlängertem Eigentumsvorbehalt von einer Ausgestaltung im echten Factoring abhängig. Eine weitere notwendige Voraussetzung für den Untergang des verlängerten Eigentumsvorbehaltes ist, dass die Bevorschussung der Rechnung durch den Faktor generell von der Höhe her ausreicht und damit einem Bargeschäft vergleichbar ist, damit der Vorlieferant aus dem Erlös wie bei einem Bargeschäft hätte bedient werden können.

unechtes Factoring

Beim unechten Factoring muss der Anschlusskunde die vom Factor erbrachten Zahlungen zurückerstatten, wenn der Drittschuldner insolvent ist. Damit hat kein echter Forderungsverkauf stattgefunden und es handelt sich nach deutschem Recht um ein Kreditgeschäft. Die Abtretung hat dann einen Sicherungscharakter. Dies beeinflusst insbesondere die rechtliche Position des Factoring-Unternehmens im Falle einer Insolvenz des Kunden, da kein Aussonderungsrecht, sondern nur ein Absonderungsrecht für die Forderungen besteht. Die Forderungen sind beim unechten Factoring weiterhin in der Bilanz  des Forderungsverkäufers zu aktivieren (kein „true sale“).

Sonderformen

Reverse Factoring

Beim Reverse Factoring entsteht die Motivation über den Debitoren. Der Debitor (i.d.R. Groß-Debitoren) schließt einen Vertrag mit dem Factoring-Unternehmen und gibt dem Forderungskäufer gegenüber für die einzelnen Forderungen ein Zahlungsversprechen ab. Dies bedeutet der grundsätzliche Bestand der Forderung (Verität) wird seitens des Zahlungspflichtigen bestätigt und damit dieses Risiko für den Factor minimiert oder ausgeschlossen.

Der Debitor kann verschiedene Beweggründe für den Abschluss eines Reverse-Factoringvertrages haben:

  • er möchte seine ihm gewährten kreditorischen Zahlungsziele ausweiten, um sein working capital zu erhöhen
  • er möchte zusätzliche Erträge durch eine Beteiligung an den Factoringerlösen erzielen (Optimierung seiner Einkaufskonditionen)
  • er möchte seine Lieferanten bei ihrer Finanzierung und Konditionsgestaltung unterstützen, um von denen bevorzugt beliefert zu werden und/oder eine höhere finanzielle Stabilität bei seinen Lieferanten zu erreichen

Den Lieferanten wird dann vom Factor und/oder vom Debitor das Angebot unterbreitet, dass die Forderungen gegen den Debitor über das Factoring-Unternehmen vorfinanziert werden. Die Ausgestaltung des Modells kann in der Umsetzung sehr unterschiedlich ausfallen.

Ultimo factoring

Beim Ultimo Factoring geht es in der Regel um einen einmaligen Forderungsverkauf zum Bilanzstichtag oder Quartalsstichtagen des Forderungsverkäufers. Die Motivation des Kunden beruht auf der Verbesserung von Finanzkennzahlen durch die Transaktion. Die durch den Forderungsverkauf erhaltene Liquidität nutzt der Forderungsverkäufer, um seine Verbindlichkeiten zurück zu führen. Sein Umlaufvermögen nimmt aufgrund des niedrigen Forderungsbestandes ab und auf der Passiv-Seite der Bilanz nutzt der Verkäufer den erhaltenen Kaufpreis zur Reduzierung seiner Verbindlichkeiten. Damit tritt eine Bilanzsummenverkürzung ein und daraus resultieren Verbesserungen diverser Bilanzkennzahlen.

Die Transaktion wird in aller Regel als stilles Inhouse Verfahren und echtes Factoring abgewickelt. Der Forderungsverkäufer und der Debitor sollte entsprechend über eine gute Bonität verfügen, damit sowohl das Veritätsrisiko als auch das Ausfallrisiko für den Factor kalkulierbar ist.

Fälligkeitsfactoring

Beim Fälligkeits-Factoring erhält der Factoring-Kunde die Absicherung des Ausfallsrisikos und die Debitorenbuchhaltung, jedoch verzichtet er auf eine sofortige Zahlung des Kaufpreises. Das Fälligkeits-Factoring ist quasi mit einer Kreditversicherung mit 100 Prozent Entschädigungsleistung und einer festgelegten Regulierung nach Fälligkeit der Rechnung (proteced default) vergleichbar.

Es wird also das Forderungsausfallrisiko auf den Factor verlagert und dem Factoring-Kunden die Arbeit der Debitorenbuchhaltung abgenommen.

Eine Bevorschussung der Forderungen ist nicht vorgesehen. Somit hat das Fälligkeits-Factoring keine Finanzierungsfunktion. In Deutschland stellt diese Factoring-Variante eher eine Ausnahme dar und wird sehr selten angewandt. Factoring-Gesellschaften müssen beachten, dass gem. Jahressteuergesetz 2009 in § 19 GewSt DV verankert wurde, dass diese Geschäftsart zum Verlust der Gewerbesteuerfreiheit für die Refinanzierungszinsen führt.

Auswahl-Factoring

Das Auswahl-Factoring stellt nur in Bezug auf die Debitorenauswahl eine Sonderform dar. Während normalerweise die Factoring-Gesellschaft alle Debitoren eines Kunden angedient bekommen möchte, um dann durch die Vergabe von Kauflimiten selbst die Ankaufswürdigkeit einer Forderung zu prüfen, werden bei einem Auswahl-Verfahren nur eine Auswahl von Debitoren dem Factoring-Unternehmen zum Kauf angedient. Die Variante kann aus verschiedenen Gründen zum tragen kommen: Teile des Geschäftes sind gar nicht factorabel (Einzelhandel, An- oder Abschlagzahlungen, juristische Gründe) und werden ausgeschlossen, Teile des Geschäftes haben zu kleine Rechnungsabschnitte die kaum rentabel im Full Service Factoring gehandhabt werden können, es soll nicht das Gesamtvolumen der Forderungen aus betriebswirtschaftlichen Gründen verkauft werden. Wichtig ist allerdings aus Sicht des Factoring-Unternehmens, dass keine einseitige Selektion des Forderungsverkäufers nach Bonitätsgesichtspunkten erfolgt, denn so wird die Schadensneigung des Vertrages über dem Normalverlauf liegen. Dies bedeutet auch, dass der oftmals gewünschte Ausschluss eines schnell zahlenden Debitors sehr kritisch gesehen werden muss.

2-Factor-Modell

Beim Import- und Export-Factoring arbeiten einige Marktteilnehmer mit Korrespondenz-Partnern in den Import- oder Export-Ländern zusammen.

Beim Export-Factoring kauft zum Beispiel das inländische Factoring-Institut die Forderung an und bevorschusst diese dem Factoring-Kunden, der Einzug der Forderung wird dann über die Korrespondenz-Factoring-Gesellschaft im Exportland vorgenommen. Das Korrespondenz-Institut hat auch das Kauflimit für den Debitor zur Verfügung gestellt und übernimmt das debitorische Bonitätsrisiko.

ABS Produkte / ABS light usw.

Die Abgrenzung zwischen Kapitalmarktprodukten wie „asset back securities“ (abs) und Factoring ist aus Kundensicht fließend. Mit „asset back securities“ ist die Verbriefung der Forderungen in Anleihen gemeint. Ein ganzer Pool verschiedener Forderungen wird in Form einer Anleihe über den Kapitalmarkt refinanziert. Die Transaktion wird in der Regel von einer Bank oder Factoring-Gesellschaft organisiert. Der Finanzdienstleister kauft die Forderungen aber nicht auf seine eigenen Bücher. Diese Finanzierungsvariante steht nach der Finanzmarktkrise nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Der Kunde verkauft seine Forderungen hier an eine Zweckgesellschaft und erhält wie beim Factoring eine Vorfinanzierung – dies kann mit oder ohne Delcredere-Haftung ausgestaltet sein – der Service verbleibt in jedem Fall beim Forderungsverkäufer (wie beim Inhouse Factoring). Ein Unterschied kann in der Konditionierung liegen, da bei einer ABS Transaktion die Organisationskosten zu Beginn anfallen und die laufenden Kosten bei liquiden Kapitalmärkten preisgünstiger sein können als beim „normalen“ Factoring.

Autor: Redaktion FINtatio

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