Als Aufsichtsrat einer Verbundgruppe ist es unerlässlich, die Chancen & Risiken der Zentralregulierung & Zentralfakturierung zu verstehen und zu steuern. Die Zentralregulierung (ZR) und Zentralfakturierung (ZF) sind wesentliche Instrumente, die in vielen Einkaufsverbänden in Deutschland eine zentrale Rolle spielen. Diese Prozesse tragen nicht nur zur finanziellen Stabilität der Verbundgruppen bei, sondern bieten auch erhebliche Vorteile für die angeschlossenen Unternehmen und Lieferanten. Als Aufsichtsrat einer Verbundgruppe ist es unerlässlich, sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen, um sowohl die Chancen als auch die Risiken zu verstehen und entsprechend zu steuern.
Definition von Zentralregulierung und Zentralfakturierung
Mit den Finanzdienstleistungen Zentralregulierung (ZR) und Zentralfakturierung (ZF) bieten Banken, Einkaufsverbände und andere Dienstleister verschiedene Formen von Abrechnungssystemen für den Zahlungsverkehr bei Einkaufsverbänden, deren Mitgliedern und Lieferanten an. ZR und ZF kann in der Regel nicht nur für Einkaufsverbände, sondern auch für Firmenverbünde und Franchiseketten durchgeführt werden.
Bei der Zentralregulierung werden die Zahlungsströme aller Bestellungen zentral über eine Bank, einen Verband oder einen Dienstleister gebündelt und sämtliche Forderungen von Lieferanten gegenüber den Mitgliedern im z.B. Einkaufsverband abgesichert. Die Lieferanten erhalten eine gesammelte Überweisung aller Bestellungen für einen bestimmten Zeitraum, während den Mitgliedern entsprechende Sammelrechnungen ausgestellt werden.
Historisch gesehen gab es Freistellungen vom damaligen Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred, heute BaFin), die bestätigten, dass die Zentralregulierung kein Kreditgeschäft ist. Dies ermöglichte den Einkaufsverbänden, diese selbst durchzuführen. Parallel dazu bieten seit über 50 Jahren spezialisierte Dienstleister und Banken diese Services an. Das Risiko eines Zahlungsausfalls ist bei Banken aufgrund ihrer finanziellen Stabilität geringer.
Die ökonomische Sichtweise der Zentralregulierung
Bei der Zentralregulierung erhält der Lieferant eine (zusätzliche) Zahlungsgarantie eines Dritten der nicht der Besteller (Anschlusshaus) ist. Für den Lieferanten sollte dies eine Verringerung des Ausfallrisikos darstellen. Ferner werden alle Forderungen gegen verschiedene Besteller (Anschlusshäuser) eines Verbandes in gewissen Rhythmen zusammengefasst (Clearing) und dem Lieferanten in einem Avis zu abgestimmten Regulierungsterminen zur Verfügung gestellt und gesammelt gezahlt. Nur die Bestellung und Lieferung findet direkt zwischen Besteller und Lieferant statt.
Die Zentralregulierung umfasst somit die drei Dienstleistungen Ausfallhaftung (Delkredere), Clearing und Zahlungsverkehr. Für diese Dienstleistung zahlt der Lieferant eine Delkredere-/ZR-Gebühr.
Diese eingenommene ZR-Gebühr sollte für den Verband höher sein als die Kosten für Betrieb und Risiken aus der ZR. Dies sollte einem regelmäßigen Controlling unterliegen und diese ZR-Kontrollrechnung sollte sich der Aufsichtsrat regelmäßig (z.B. jährlich) zeigen lassen.
Die Risiken der Zentralregulierung
Die Zentralregulierung birgt verschiedene Risiken, die sorgfältig gemanagt werden müssen. Zu den wesentlichen Risiken gehören die Zahlungsunfähigkeit eines Bestellers oder Anschlusshauses, die Insolvenz eines Lieferanten sowie die Zahlungsunfähigkeit des Zentralregulierers selbst.
Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit eines Bestellers/Anschlusshauses
Um Zahlungsausfälle von Anschlusshäusern zu vermeiden oder zumindest gering zu halten, bedarf es eines strukturierten Monitorings der Bonitäten. Hierzu sollten Jahresabschlüsse, BWAs und Wirtschaftsauskünfte regelmäßig ausgewertet und idealerweise in ein Rating überführt werden. Ferner sollten die regelmäßigen Zahlungen aller Anschlusshäuser im Rahmen der ZR überwacht werden und Zahlungsverzüge auch mit in die Bonitätsbetrachtung einbezogen werden. Als Aufsichtsrat sollte man sich jährlich auch dieses Bonitäts-Überwachungssystem vorstellen und idealerweise auch Veränderungen der Bonitäten aller Anschlusshäuser einmal jährlich aufzeigen lassen (Portfolio-Überwachung). Dieses Risiko kann man mit der Unterlegung aller oder größerer Anschlusshäuser durch eine Kreditversicherung zumindest glätten oder reduzieren, es entbindet den Verband aber nicht von der professionellen Bonitätsüberwachung, da den Kreditversicherungen oftmals nur Negativmeldungen vorliegen und dies dann oft zu spät ist.
Das Risiko der Insolvenz eines Lieferanten
Bei der Insolvenz eines Lieferanten gibt es neben der Problematik der ausbleibenden Lieferfähigkeit – idealerweise hat man immer einen Zweitlieferanten – wirtschaftlich noch das Risiko der offenen Gegenforderungen, meist Gutschriften, die ein Verband oder Anschlusshäuser gegen den Lieferanten haben. Diese Gutschriften können aus fehlenden oder fehlerhaften Lieferungen oder auch aus Boni-Ansprüchen o.ä. resultieren. Hier gilt es im Einkaufsverband eine Organisation und eine Regulierungssoftware zu betreiben, die dafür Sorge trägt, dass solche Verrechnungen möglichst zeitnah vorgenommen werden. Entweder lässt sich der Aufsichtsrat dies aufzeigen oder er beauftragt den Wirtschaftsprüfer dies zu prüfen.
Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Zentralregulierers
In der Gesamtbetrachtung ist die Zahlungsunfähigkeit des Zentralregulierers das größte Risiko, da in diesem Fall ein kumuliertes Risiko vorliegt.
Es kann dazu kommen, wenn entweder über einen längeren Zeitraum die ZR-Kalkulation negativ ist, dies nicht erkannt wurde oder nichts dagegen unternommen wurde. In diesem Fall muss sich der Aufsichtsrat mangelnde Aufsicht und vermutlich mangelnde Transparenz vorwerfen lassen. Dies kann zu einer Haftung als Organ führen.
Ein weiteres Risiko ist, wenn Gelder für die ZR nicht strikt von den Geldern des Eigenbetriebes des Verbandes (Verwaltung, Zentrallager, Messen) getrennt werden und Verluste aus dem Eigenbetrieb durch die ZR-Liquidität gedeckt werden. Eine ZR sollte immer zwingend eine vom Eigenbetrieb getrennte Buchhaltung und Zahlungskonten haben. Nur realisierte ZR-Überschüsse sollten dann in den Eigenbetrieb überführt werden. Diesen Aufbau sollte sich der Aufsichtsrat klar erläutern und regelmäßig (jährlich) vom Vorstand bzw. der Geschäftsführung des Verbandes und dem Wirtschaftsprüfer bestätigen lassen. Diese Situation war in den letzten 30 Jahren der häufigste Grund für die Zahlungsunfähigkeit eines Zentralregulierers und hat hohes Potential für Haftungsfälle des Aufsichtsorgans.
In dem Fall, dass der Zentralregulierer die Lieferanten nicht oder nicht mehr pünktlich bezahlen kann, droht den Anschlusshäusern unter Umständen ein Doppelzahlungsrisiko, da die Lieferanten dann bzgl. der offenen Forderung direkt auf den Besteller zukommen, obwohl dieser vielleicht seine Zahlung an den Zentralregulierer bereits geleistet hat.
Regulatorische Pflichten und Verantwortlichkeiten des Aufsichtsrats
Da das ZR-Geschäft grundsätzlich ein zulassungspflichtiges Geschäft ist, muss der Aufsichtsrat darauf achten, dass dem Einkaufverband entweder eine Freistellung für das Betreiben der ZR von der Bundesanstalt für Finanzen (BaFin oder Vorgänger BAKred) vorliegt und man sich im Rahmen dieser Freistellung bewegt, der Einkaufsverband eine Zulassung von der BaFin besitzt (Bank oder ZAG) oder der Einkaufsverband das Geschäft an einen zugelassenen Dienstleister outsourct.
Alle diese Risiken müssen gemanagt werden, es bedarf dazu eines professionellen, strukturierten Vorgehens, vertrauensvoll handelnden Personen, moderner und leistungsfähiger Software, regelmäßigen und transparenten Kontrollen sowie einer sauberen juristischen Grundlage. Alternativ kann man einen professionellen Dienstleister mit der ZR beauftragen. Als Aufsichtsrat eines Verbandes hat man die Aufsicht über diesen wichtigen Geschäftsbereich und sollte diese Themen gewissenhaft und regelmäßig prüfen.
FAZIT
Die Zentralregulierung und Zentralfakturierung sind entscheidend für die finanzielle Stabilität von Einkaufsverbänden, bieten jedoch auch erhebliche Risiken, die durch sorgfältiges Management und regelmäßige Überwachung minimiert werden müssen. Der Aufsichtsrat sollte die Bedeutung dieser Instrumente verstehen, die wesentlichen Risiken identifizieren und managen, die regulatorischen Anforderungen erfüllen und seine Verantwortung durch regelmäßige Kontrollen und die Nutzung moderner Software wahrnehmen. Diese Maßnahmen maximieren die Vorteile für die angeschlossenen Unternehmen und Lieferanten und sichern die finanzielle Gesundheit des Verbands.
Autor: Dieser Artikel basiert auf einen früheren Beitrag von Herrn Franz Herrlein, Mitglied des Aufsichtsrats der ANWR GROUP eG, der von der FINtatio Redaktion überarbeitet wurde.